Wenn die Sonne wieder aufgeht …

Die Schneerosen hielten ihre Köpfe der Sonne entgegen, irgendwo trällerte eine Amsel ihr Lied. Sonst war es still, doch halt, das Bächlein murmelte leise.
Isa saß auf der Wiese und lehnte sich an die uralte Buche, blicklos starrte sie in den Himmel. Tränen liefen  über ihre Wangen und sie schluchzte herzzerreißend. Kalt und lieblos schien ihr die Welt. Wohin sollte sie gehen, es gab keine Zukunft für sie. Der Weg führte ins Leere, ins Nichts. Was erwartete sie noch von ihrem Leben, es war alles nur sinnlos.
„Isa, warum weinst du?“
Die junge Frau wischte die Tränen fort, sie blickte um sich, doch sie sah niemand. Woher kam die Stimme, wer wollte mir ihr sprechen?

„Isa, warum weinst du?“ Da war sie wieder diese glockenhelle, leise Stimme.
„Wo bist du, ich sehe dich nicht,“ fragte sie.

„Ich bin ganz nah bei dir. Schau zu deinen Füßen.“
„Da ist aber nichts, rein gar nichts. Nur Gras, Erde und Schneerosen …“

Isa stand auf und dann bückte sie sich, bis hin zu der großen, strahlend weißen Blume. Ach stimmt, von dort kommt die Stimme.
„Wer bist du und was willst du von mir?“
„Ich bin die Schneerosenelfe.“
„Die gibt es nicht.“
„Doch die gibt es.“

„Warum weinst du.“

„Ich,“ seufzte Isa. „Er liebt mich nicht. Na der Musiker, er spielt die E- Gitarre in der Band,  Der mit seinen dunkelblauen Augen, der sportlichen Figur, dem markanten Gesicht und den schwarzen, langen Haaren. Wenn er mich anschaut, dann bleibt das Herz stehen und der Atem stockt. Er ist so überaus besonders und ich mag ihn sehr gerne. Tja ich liebe ihn.“
„Und er?“
„Ach ich bin nur eine von vielen. Er verdreht meinen Freundinnen den Kopf, aber er meint es mit keiner ehrlich. Wir sind nur Wachs in seinen Händen.“
„Und du wünscht dir, dass er dich als einzige auserkoren wird und du zu ihm gehörst.“
„Ja das ist mein innigster Wunsch.“
„Und trotzdem weißt du dass dies nicht der Fall ist. Vielleicht sieht er in dir nur eine liebe Bekanntschaft und nicht mehr.“
„Nicht einmal das, wir haben nicht einmal fünf Worte miteinander gesprochen. Ich weiß auch, dass er sich über mich lustig macht. Er weiß von meinen Träumen und ich habe mitbekommen wie er über mich lacht.“
„Und das hat sehr weh getan.“
„Ja sehr.“
„Und doch das Leben ist schön, gehe ruhig einige Schritte weiter, bis hin zum Bächlein. Höre das murmeln und glucksen, schau ins Wasser und horche auf deinen Atem. Das Leben ist schön…
Du spürst die klare Luft, den Duft der Märzenbecher, das kühle Moos und den Gesang der Amsel.
Hörst du?“

Isa folgte bereitwillig den Worten, langsam ging sie zum Bach, hörte sein Rauschen, spürte die kühle Frühlingsluft und den Gesang der Vögel. Langsam kehrte die Freude wieder in ihr Herz. Lohnten sich die schwarzen Gedanken, das trauernde Herz. Warum war gerade dieser eine Mann so wichtig, obwohl er sich nie nach ihr umdrehte. Die dunklen Wolken sollte sie vertreiben. 
Jetzt war sie hier in dieser herrlichen Natur und schön langsam wärmte die Sonne ihr trauriges Herz. Versunken starrte sie ins Wasser, tausend Gedanken wirbelten durch ihren Kopf. 
Woher kam diese Traurigkeit. War es sein Blick, der ihr tausend Schauer durch den Körper jagte. Wozu waren Träume und Illusionen gut. Warum betrog sie ihr Herz. Vielleicht war sie festgefahren. Hatte aufgehört sich für andere Dinge zu interessieren. Es gab doch einige sehr nette Sänger und Musiker in ihrem Chor und in der Band. Warum war es gerade der eine, der so gar kein Interesse an ihr zeigte, einer der sich über ihre Gefühle lustig machte. Er hatte es nicht verdient, rein gar nicht. 

Viel zu lange stand sie hier und grübelte. Die Kälte kroch  nicht nur in ihr Herz. Lauf doch ein Stück. Warum hatte sie ihre warme Jacke im Auto gelassen. Tja die Sonne war trügerisch, sie wärmte, doch der kühle Wind ließ sie frösteln. Der Schnee lag auf den Bergen und der Frühling würde noch ein wenig dauern.

„Isa, was machst du hier?“ Die Frau erschrak wer hatte sie hier entdeckt. Langsam drehte sie sich um. Der schlanke hochgewachsene Norbert stand vor ihr. „Woher kommst du, wieso bist du hier?“
„Nur wegen dir. Nein, war nur Spaß. Ich bin öfters hier, die Gegend ist zu schön. Bin gerne hier, gehe wandern und genieße die Natur, die Stille, die Berge, den Bach und den See. Du frierst.“
Schnell zog der Mann seine Jacke aus. „Komm zieh sie über, es wird dir bestimmt  warm werden.“

Kaum hatte Isa die Jacke angezogen, nahm er seinen Wollschal und legte diesen über ihre Schultern. Sie zog diesen enger und spürte, ja es war um so vieles besser und schön langsam verschwand das zittern. „Dankeschön, du hast mich gerettet, sonst hätte ich bestimmt eine fette Erkältung ergattert. Doch dir wird jetzt kalt.“

„Ach was, ich war so und so viel zu warm angezogen, so schnell wird mir nicht kalt, komm laufen wir ein Stückchen weiter. Es ist  eine traumhafte Gegend.“
„Abgemacht, wenn du es sagst. Und was treibst du außer der Musik noch so in deinem Leben?“

„Ich sitze vor dem Computer und arbeite als EDV Techniker. Ein knochentrockener Job, aber es macht Spaß und sonst. Ich spiele in der Band den Drummer, aber das weißt du bestimmt.“
Isa lächelte und nickte.

„Sonst bin ich in der Natur unterwegs, wandern bergsteigen, klettern, laufen und Rad fahren. Oder einfach im Wald und den Bergen abhängen und nichts tun. Außer mein Hund ist dabei, ein sanfter und lieber Schäferhund, mein bester Gefährte. Puh jetzt habe ich schon zu viel erzählt.“

„War spannend und interessant. Tiere und die Natur liebe ich auch. Gerne träume ich und vertrödle den Tag, wenn es mir erlaubt ist.“

„Doch sage mir, ist etwas passiert, du warst wohl sehr unglücklich, man sieht es an deinen Augen, war es sehr schlimm.“

Isa blickte zu Boden. „Ja und nein, es kommt darauf an aus welchem Blickwinkel man es sieht. So manch einer würde sagen, es ist nichts und doch es hat sehr weh getan.“

„Es war wohl wegen einem Typen, stimmt es? Es erwischt einem und man meint die Welt geht unter, weil der andere nicht das gleiche Gefühl teilt oder dich nicht versteht, oder sich nicht in deine Welt versetzen kann. Das Herz spielt öfters verrückt, obwohl man es so nicht will, doch es schmerzt und das kann man nicht so einfach wegschieben und sagen, verschwinde, ich möchte nichts mit dir zu tun haben.“

„Kennst du dieses Gefühl auch so.“ Isa sah ihn überrascht an. „Das hast du gut ausgesprochen. Genau so war es auch bei mir. Dieser Typ,“ sie lächelte und schon standen die Tränen in ihren Augen, verlegen wischte sie diese fort. „Dieser eine macht sich nichts aus mir.“

„Tja unser Gitarrist hat schon einigen Mädels das Herz gebrochen, er sieht auch verdammt gut aus und das weiß er zur Genüge.“
Norbert sah sie mitfühlend an. Kein Spott lag in seinen Augen nur Traurigkeit. 
Isa schüttelte den Kopf. „Ich wollte dir jetzt nicht auch noch das Herz schwer machen. Es wird wieder besser, es geht vorüber, das Leben ist trotz allem schön.“

„Eine Tür schließt sich und eine andere öffnet sich.“

„Stimmt,“ antwortete Isa. „Komm laufen wir zu der Blumenwiese am Waldrand. Dort stehen die Märzenbecher und Schneerosen und sie sind wunderschön und wie sie duften.“

Schon standen sie inmitten der Pracht und staunten. „Und in jeder Blüte wohnt ein Elfenkind.“ Norbert blickte sie an. „Jetzt darfst du mich auslachen. Komm schon.“

„Nein bestimmt nicht, denn genau so ist es und diese flüstern dir zu, das Leben ist schön, schau dich um. Vieles ist unseren Augen verborgen, wir können es nicht sehen, aber manchmal spürt es unser Herz.“ 
Der Mann sah sie erstaunt an und meinte: „Du verstehst.“

„Ja,“ nickte Isa. „Danke für diese wunderbaren Worte, dein trösten. Jetzt geht es mir wieder besser.“
Still wanderten die beiden den Baumallee Weg entlang, die Vögel trällerten fröhlich ihre Lieder, die Sonne schob sich hinter ein paar Wolken und den Wind wehte kühl von den schneebedeckten Bergen.“
„Komm lass uns umdrehen und dann besuchen wir das neue Cafe im Ort. Dort ist es warm und gemütlich und es gibt heißen Tee und leckere Torten.“

Isa blickte ihn an, sekundenlang verlor sie sich in seinen dunklen, großen Augen. Schwerelos leicht fühlte sie sich und glücklich. Ein kaum gekanntes Gefühl von Vertrautheit und geborgen sein erfüllte sie. „Ja, lass uns gehen. Mein Auto steht da vorne am Parkplatz.“
„Meines auch,“ sagte Norbert, dann nahm er ihre  Hand und hielt sie einen Augenblick lang fest. „Wir haben uns bestimmt viel zu erzählen und ich freue mich darauf.“

„Ich auch,“ antworte Isa und ließ seine Hand nicht mehr los. Und eine wunderbare Liebesgeschichte machte ihren Anfang. Die Schneerosenelfe seufzte: „Fein habe ich das gemacht“ ….  

Bild und Text: Heidemarie Rottermanner 

  1. Dankeschön liebe Karin Lissi für deinen so lieben Kommentar, ich habe mich darüber, sehr, sehr gefreut. Dein Blog gefällt mir…

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Über Heidemarie

verheiratet, zwei Söhne. Lebt in Niederösterreich in traumhafter Lage.

05. März 2024 von Heidemarie
Kategorien: Kurzgeschichten | Schlagwörter: , , | Schreibe einen Kommentar

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